Einen Moment lang ein anderer Mensch.

Nicht, weil ich mich selbst ablehne.
Sondern weil ich wissen will,
wer ich wäre,
wenn ich mich nicht ständig festhalte
an dem, was ich kenne.

Ich frage mich,
wie viel von mir wirklich ich bin
und wie viel nur Gewohnheit,
Schutz,
Reflex,
eine alte Geschichte,
die ich immer wieder erzähle,
weil ich Angst habe,
dass die neue Version
mich überfordert.

Ich frage mich,
wie es wäre,
wenn ich einmal,
nur einmal,
nicht automatisch reagiere,
sondern bewusst wähle.

Wenn ich nicht sofort renne,
wenn es eng wird.
Nicht sofort schweige,
wenn es wichtig wird.
Nicht sofort lächle,
wenn ich eigentlich falle.

Ich frage mich,
wie es wäre,
wenn ich mich selbst
nicht mehr überhöre.

Wenn ich die feinen Risse in mir
nicht als Fehler sehe,
sondern als Stellen,
an denen Licht hereinkommt.

Ich frage mich,
wie viel leichter ich wäre,
wenn ich all die Last,
die ich trage,
nicht mehr als Pflicht begreife,
sondern als Entscheidung.

Wie viel von meinem Schmerz
eigentlich nur Erinnerung ist,
die ich weiterführe,
weil sie vertraut klingt.

Wie viel von meiner Angst
eigentlich nur ein Echo ist,
das längst verhallt wäre,
wenn ich einmal still genug wäre,
um es zu bemerken.

Ich frage mich,
wie es wäre,
wenn ich mich selbst
nicht mehr bekämpfe.

Wenn ich nicht mehr versuche,
mich zu optimieren,
zu korrigieren,
zu reparieren,
sondern einfach
zu verstehen.

Ich frage mich,
ob ich mich jemals
wirklich gesehen habe.

Nicht im Spiegel.
Nicht in den Augen anderer.
Sondern dort,
wo es still ist.
Dort,
wo ich niemandem etwas beweisen muss.
Dort,
wo ich nicht funktioniere,
sondern existiere.

Ich frage mich,
ob ich jemals
wirklich bei mir war.

Oder ob ich mein Leben lang
nur an mir vorbeigelaufen bin,
in der Hoffnung,
mich irgendwann einzuholen.

Ich frage mich,
wie es wäre,
wenn ich mich einmal
nicht verliere,
sondern finde.

Nicht in einem großen Moment.
Nicht in einem dramatischen Wendepunkt.
Sondern in einem Atemzug,
der sich anders anfühlt
als die davor.

Ich frage mich,
ob ich vielleicht
gar nicht ein anderer Mensch sein muss,
um frei zu sein.

Ob es reicht,
wenn ich aufhöre,
mich selbst zu verlassen.

Ich frage mich,
ob dieser Moment,
den ich suche,
nicht irgendwo da draußen liegt,
sondern hier,
in mir,
wartend,
geduldig,
wie eine Wahrheit,
die ich zu lange ignoriert habe.

Vielleicht geht es nicht darum,
ein anderer Mensch zu sein.

Vielleicht geht es darum,
endlich der Mensch zu werden,
der ich immer war,
bevor ich gelernt habe,
mich zu verstecken.

Vielleicht ist dieser Moment
nicht etwas,
das ich finden muss.

Vielleicht ist er etwas,
das ich zulassen darf.

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